Korinna Stephan Bezirksstadträtin
Korinna Stephan ist seit November 2021 Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr.
Viele Frohnauer könnten die 49-Jährige kennen, denn sie war die Vorsitzende des dortigen Bürgervereins. Von diesem Posten trat sie nach ihrer Wahl zurück. Innerhalb von Bündnis 90/DIE GRÜNEN engagierte sie sich vor der Wahl in der Landesarbeitsgruppe Mobilität und in der Arbeitsgruppe Mobilität des grünen Kreisverbandes.
Im Bezirksamt legte die Grünen-Politikerin den Fokus unter anderem auf Fußverkehr, den Ausbau des Radnetzes, die Entsiegelung von Flächen und Verbesserung der Situation der Straßenbäume, das Voranbringen verschiedener Wohnungsbauvorhaben im Bezirk und die Verbesserung der personellen Situation in den Ämtern. Ein weiteres Thema in der Verwaltung ist das Voranbringen der Digitalisierung.
Im Gespräch mit Korinna Stephan
Was hast Du in den ersten Monaten im Amt gelernt?
Ist die Arbeit als Stadträtin so, wie Du es Dir vorgestellt hast?
Bevor ich dazu auch nur einen Ton sage, muss ich zunächst einmal allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meiner drei Ämter; des Umweltamtes, des Stadtentwicklungsamtes sowie des Straßen- und Grünflächenamtes den allergrößten Respekt zollen. Wie sie unter widrigsten Umständen den Laden am Laufen halten, ist eine unglaubliche Leistung. Wir durchliefen und durchlaufen eine wirklich drastische Phase mit Corona, dem Krieg in Europa gepaart mit teils dramatischem Personalmangel. Meine Ämter sind konfrontiert mit allen Anforderungen des Klimawandels, der Mobilitätswende, des Bevölkerungswachstums und Baubooms, wir erleben gleichzeitig Hitze, Dürre und drastische Preissteigerungen in allen Bereichen. Erfahrene Kolleginnen und Kollegen verlassen uns in den Ruhestand, sind oft mit ihrem Wissen und ihrem Engagement für uns verloren, denn wir schaffen es nicht, ausreichend qualifiziertes Personal schnell nachzubesetzen. Ausschreibungen und Besetzungen sind hochkomplex. Das liegt in meiner Wahrnehmung jedoch nicht am viel zitierten Personalrat, der laut Mythos alles aufhält. In Wirklichkeit müssen die Besetzungen „gerichtsfest“ sein, was hoch standardisierte und formalisierte Verfahren nach sich zieht. Eine kurzfristige Lösung hierfür sehe ich nicht.
Gleichzeitig ist die Arbeit für mich und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unglaublich erfüllend, weil wir als Bezirk direkt an der Umsetzung von Themen arbeiten. Es ist sehr erfüllend, Projekte wirklich auf die Straße oder in den Park bringen zu können oder ein großes Bauprojekt wachsen zu sehen.
Welche Deiner Ziele für die erste Phase hast Du erreicht, was hast Du nicht erreicht?
Der erste städtebauliche Vertrag ist unter Dach und Fach, der Vertrag für die Cité Foch. Dieser Vertrag vereinbarte moderne städtebauliche Ziele, die eben auch eine autoarme Verkehrsentwicklung und Klimaziele aufgreift.
Wir haben den Fahr-Rat und den Fuß-Rat ins Leben gerufen; unsere Straßenplaner haben auf Basis dessen kurzfristige Maßnahmen erarbeitet und können diese in den nächsten Jahren umsetzen. Parallel dazu erarbeiten wir mittelfristige Ziele und entwickeln ein sinnvolles Radnetz für Reinickendorf.
Im FussRat haben wir nunmehr Schwerpunkte im Bereich öffentlicher Einrichtungen gesetzt, in deren Umfeld wir die Situation verbessern. Auch hier wird sich bald etwas tun. Gleichwohl bin ich hier nicht so schnell vorangekommen, wie ich mir das gewünscht hätte. Fußverkehr ist hochkomplex und gleichzeitig sehr kleinteilig; er erfordert ein hohes Maß an lokalem Alltagswissen, was eigentlich nur Personen haben, die direkt vor Ort häufig zu Fuß gehen. Daher ist es auch schwierig, in eine Priorisierung zu kommen. Diese Schwierigkeiten hatte ich unterschätzt.
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist mir die Stärkung des ÖPNV. So konnte ich erreichen, dass sich alle Parteien an einen Tisch setzen und der Bus zum Strandbad Tegel in den Probebetrieb gehen konnte. Das war ein schöner Erfolg und wir werden nun gemeinsam mit SenUMVK und BVG die Daten auswerten. Ich werde mich dafür einsetzen, den Bus zu verstetigen.
Dann möchte ich noch ein Thema aus dem Bereich Grün nennen, nämlich die Verbesserung der Situation für die Straßenbäume. Hier geht es zum Beispiel darum, der Versiegelung und Verdichtung unserer Böden entgegenzuwirken, damit das Regenwasser aufgenommen wird und in Wurzelnähe versickern kann. Hierzu wird es kurzfristig Projekte geben, um den Bäumen zu helfen. Ebenso ist geplant, Konzepte zum Umbau der Grünanlagen zu entwickeln und umzusetzen, wie wir diese fitter machen können für zunehmende Hitze, Dürre und Stürme. Gleichzeitig setze ich mich auch für eine Verbesserung unserer Gewässerqualität ein, zum Beispiel für den Bau einer Anlage zur Wasserreinigung am Flughafensee. Derzeit landet ein Großteil des Straßendrecks, z. B. Reifenabrieb, Mikroplastik, Feinstaub zusammen mit dem Regenwasser direkt in unseren Gewässern.
Wie sieht ein typischer Tag einer Stadträtin aus?
Klar, jeder Tag ist anders. Aber im Prinzip gibt es vier Bereiche. Zum einen gibt es eine große Zahl an Anfragen, von Bürgerinnen, Politikern und aus anderen Verwaltungen. Bei einem so großen Bereich wie dem meinen braucht es einen Stab, um diese Anfragen bearbeiten zu können. Natürlich arbeiten hier die Fachämter zu, mein Stab verteilt die Anfragen, sammelt sie wieder ein und am Ende geht dann alles über meinen Tisch.
Zum zweiten habe ich als Stadträtin sehr viele Termine mit Mitarbeitern meiner eigenen Abteilung. Entweder sind das projektbezogene Gespräche oder unsere Turnusrunden oder aber – auch nach so vielen Monaten noch – Kennenlerngespräche. Ich nehme mir auch gern die Zeit für Einzelgespräche zu bestimmten Themen, um Einblicken in die Arbeit und die Arbeitsabläufe zu erhalten. Ebenso braucht es Vorbereitungsrunden für jeden der drei Ausschüsse (Verkehrsausschuss, Stadtentwicklungsausschuss, Ausschuss Grün) und die BVV.
Zum dritten gibt es Termine mit Bürgerinnen und Bürgern, z.B. projektbezogene Spaziergänge, Besuche in Einrichtungen. Ebenso gibt es Austauschgespräche mit den großen Verbänden, aber auch zum Beispiel mit Investoren, der Polizei, der Feuerwehr, der BSR und natürlich den Senatsverwaltungen.
Schließlich schaufele ich mir noch Zeit frei, um strategische Überlegungen anzustellen, um die anstehenden Themen zur priorisieren und zu überlegen, welche Schritte eingeleitet werden müssen, um bestimmte Projekte erfolgreich bearbeiten zu können. Ich nehme mir einmal im Monat Zeit zur Reflexion, was gut gelaufen ist, was nicht so gut gelaufen ist, was ich besser machen kann.
Abends und am Wochenende kommt dann noch die politische Arbeit hinzu, der Austausch mit dem Kreisverband, dem Kreisvorstand, der Basis, unseren AGs, den Landesarbeitsgruppen und dem Landesverband. Etwa zwei Nachmittage pro Woche schaufele ich mir für meinen Sohn frei, da ja sehr viele Abendtermine anstehen.
Wie kannst Du entspannen?
Am besten geht das beim Wandern mit meiner Familie, aber ich bin privat auch gern mal einfach nur allein in meiner Hängematte oder auf dem Sofa.
Was auch gut klappt: Mit meinem Sohn Lego oder Kapla bauen ist sehr meditativ.
Vor meinem Amtsantritt bin ich auch gern in Reinickendorf einfach so zur Entspannung spazieren gegangen. Das geht jetzt aber nicht mehr; da ist die Unbefangenheit weg. Jetzt ist immer der „Scanner“ aktiv, dann artet das gleich in Arbeit aus, wenn da eine Wurzel den Gehweg angehoben hat, ein Baum krank aussieht, Müll herumliegt oder ein Bauzaun falsch aufgebaut ist.
Noch eine letzte Frage: Wie läuft es mit der Digitalisierung?
Das Land Berlin hat da noch sehr viel vor sich. Immerhin; jede Person im Bezirksamt, die es möchte und bei der es von der Arbeit her möglich ist, hat in meinen drei Ämtern einen Laptop fürs Homeoffice. Auch Videokonferenzen haben sich seit meinem Amtsantritt gut eingebürgert, sodass Homeoffice nun auch praktikabel ist. Bevor ich kam, gab es auch nach anderthalb Jahren Corona in meinen drei Ämtern keine Laptops und keine Videokonferenzsoftware.
Vielen Dank für das Gespräch, Korinna Stephan!